Donnerstag, 7. Februar 2013

Mein Aufreger der letzten Woche... zur Sexismus Debatte


(von Sebastian)
In der letzten Zeit gab es eine Menge schreckliche Debatten zum Thema Sexismus. Viele habe ich mir bewusst nicht angeschaut. Dann fand ich einen Artikel auf der Facebookseite eines Freundes verlinkt. Als dieser Artikel dann auch noch wohlwollend kommentiert wurde, hatte ich dann doch das Gefühl mal antworten zu müssen. Da diese Antwort etwas länger ausgefallen ist und die Diskussion auf Facebook mittlerweile leider gelöscht wurde, hab ich meine Antwort hier nochmal zu einem Post zusammengefasst.
Hier der Link zu dem Artikel der mich so aufgeregt hat und alles Weitere dann unten.

Dann mach doch die Bluse zu! von Birgit Kelle

Was genau mir an diesem Artikel nicht gefällt? Nun ja, ich würde sagen: Alles! Komplette prähistorische Froschkacke! Es wird alles mögliche krude miteinander vermengt und dann vermeintlich das Eine mit dem Anderen widerlegt, obwohl diese Sachen nichts miteinander zu tun haben.

Aber nun etwas genauer und zwar von vorne:

Die Überschrift „Dann mach doch die Bluse zu“ ist einfach eine zum 1000x gehörte Version von: „Wer sich so anzieht ist selber Schuld!“ Denn selbst wenn sich jemand „Ich will ficken!“ auf die nackte Brust schreibt, muss vor dem Anfassen immer noch geklärt werden mit wem. Und vielleicht eben nicht gerade mit Dir, sondern mit Karlheinz!

Im zweiten Absatz wird verbale Übergriffigkeit als „jämmerlichen Balzversuch des Altpolitikers“ bezeichnet. Es ist aber keine missglückte Anmache irgendwo in einer Kneipe. Sobald ein Macht - Hierachie - Abhängigkeitsverhältnis besteht verbieten sich solche Aussagen komplett. Es geht eben überhaupt nicht um „persönliche Befindlichkeiten“. Deshalb ist der Vergleich mit George Clooney auch Blödsinn.

Im dritten und vierten Absatz ist die Beweisführung ungefähr so: „Wenn das so schlimm gewesen wäre, hätte die Redaktion sie ja nicht wieder hin geschickt.“ So wird oft argumentiert. „Wenn das so giftig wäre, würden die Arbeiter ja Schutzanzüge tragen.“ Oder: „Wenn die Atomkraftwerke nicht sicher wäre, würden wir sie doch nicht bauen / betreiben." usw.
Die Beweisführung ist mindestens mangelhaft. Kann höchstens sein, dass der Stern kein verantwortungsvoller Arbeitgeber ist. Was nicht wirklich verwunderlich wäre.

Sie schreibt: „Es nervt, weil diejenigen degradiert werden, die tatsächlich Opfer sexistischer Übergriffe werden und die sich nun einreihen müssen in die „Opfer“ von blöder Anmache. Sie gehen gerade unter in einem Meer von Banalitäten, die nichts weiter sind als das alltägliche Balzverhalten zwischen Mann und Frau.“
Dieser Ansatz ist zutiefst Menschen verachtend. Denn schlimmer geht immer. Verbale Übergriffigkeit sei ja nicht so schlimm. „Komm das war doch nur kurz an den Hintern gefasst“ usw.. Ja schlimmer geht immer. Heißt das jetzt, dass es erst ab einer Vergewaltigung schlimm ist? Wer, wenn nicht der, dessen Grenze überschritten worden ist, bestimmt ob seine Grenze überschritten worden ist?
Das ist genauso widerwärtig, wie das Totschlag Argument: „Gibt es kein wichtigeres Problem?“ Verdammt nochmal nein! Es gibt überhaupt kein wichtigeres Problem als das, was ich zu meinem mache! Und wen es nicht interessiert, der soll mich einfach in Ruhe lassen. Solange nicht im Sinne von Notfall- bzw. Krisenintervention bzw. begrenzter Ressourcen Rangfolgen für Probleme erstellt werden müssen, gibt es einfach nur Probleme um die man sich kümmern kann oder eben nicht.

Ein Übergriff ist und bleibt ein Übergriff. Das als „alltägliches Balzverhalten“ abzutun ist Täter-Argumentation und nichts anderes.
Und außerdem taugt es als Argumentation ungefähr soviel wie: „das haben wir schon immer so gemacht“ oder „das ist eben eine andere Kultur, dafür muss man Verständnis haben.“

Frau Kelle schreibt „.....Müssen wir selbst die Grenze ziehen und diese deutlich machen. Und es gibt so viele Grenzen, wie es Frauen gibt.“ Ja wunderbar. Jetzt auf einmal Vielfältigkeit und vorher aber Deutungshoheit über echte Opfer oder nicht? Es berichten doch gerade ganz viele Frauen über ihre persönliche Grenze. Was stört sie denn jetzt? Ich finde diese Argumentation verquer.

Dann kommt noch eine Menge Scheiß und Verkürzungen wie „Wieso ist es in Ordnung, dass Frau ihr Aussehen strategisch einsetzt, aber nicht in Ordnung, dass Mann darauf reagiert?“ Wer sagt das denn? Die Frage ist doch nicht ob regiert werden darf oder nicht sondern: WIE wird reagiert!
Das gipfelt dann in: „Wir laufen in Slutwalks durch die Straßen und proklamieren das Recht, wie Schlampen herumlaufen zu dürfen. Gleichzeitig wollen wir aber nicht als Schlampe bezeichnet oder gar behandelt werden.“ Definition Schlampe? - nicht vorhanden. Aber die Dreistigkeit mit der hier wieder das Recht abgeleitet wird, dass, wenn sich jemand so und so kleidet, hat das zur Folge, dass man denjenigen dann auch so und so behandeln kann, ist einfach widerlich.
Wo beginnt denn das Schlampentum? Rock bis zum Knöchel? Knie? Latex Mini?
Das ist die alte Täter – Opfer Umkehrung. Die „Moral“-Vorstellungen der Täter können jedes Opfer zur Schlampe machen.

RTL zeigt Frauen die sich peinlich verhalten und sich prostituieren?
Frauen ziehen Dinge an, nicht nur für sich sondern auch oder manchmal vielleicht sogar ausschließlich nur für andere? …... Ja und? Was will Frau Kelle mir damit sagen? Versteh ich einfach nicht. Das sind doch nur Allgemeinplätze, die schon jeder drittklassige Standup Comedien pointierter und witziger vorgebracht hat. In diesem Text dient es doch nur dazu dem Leser ein kräftiges „Jawoll, endlich sagts mal eine“ zu entlocken. Oder ist da irgendein Fakt dabei, der zur Debatte etwas Sinnvolles beiträgt.

Das Thema Männer - Frauen und Machtverhältnisse. Ich überspringe es. Vielleicht später mehr.

Und nun das Beste zum Schluss. Der letzte Absatz der mich wirklich vor Wut fast kotzen lässt: Die armen Männer die sich nichts mehr trauen und kein Wort mehr zu irgendwem sagen, weil 13jährige schon sexy sind, weil man mit Kolleginnen nicht mehr Kaffee trinken kann. Opfer sind armselig, und Frauen die wahren Täter.

Einem Opfer jetzt auch noch das Attribut „armselig“ zuzuschreiben und es somit vollends zu diskreditieren, dafür fehlen mir die Worte. Das ist einfach so was von respektlos und widerwärtig. Schon an anderer Stelle die Gegenüberstellung: entweder bist Opfer oder eine Frau und magst Männer...
Das ist einfach nur Tätersprache und nichts anderes.

Und: Jungs, habt ihr wirklich Angst eine Frau anzusprechen?
Glaub ich euch. Hab ich manchmal auch. Aber doch nicht weil ihr glaubt ihr bekommt Sexismus vorgeworfen. Ist ganz normal, nennt sich schüchtern sein, oder so. Kann man aber drüber weg kommen.
In all den Jahren die ich in der Gastronomie als Türsteher und Thekenschlampe gearbeitet habe, habe ich nicht einen Menschen getroffen der sich nicht über ein nettes Kompliment freuen würden. Männlein wie Weiblein genießen es aufmerksam wahrgenommen zu werden, Feuer gegeben zu bekommen oder zu wissen was jemand meistens trinkt usw. davon hat sich auch noch nie jemand belästigt gefühlt. Wer behauptet Männer dürften ja jetzt gar nichts mehr der hat einfach keine Ahnung. Aber Jungs, einfach eine Hand auf Oberschenkel, Rücken oder Schulter ist kein guter Anfang. Noch nie gewesen. Ist einfach übergriffig. Und das war es schon vor der Debatte, nicht erst jetzt.

Und weil ich jetzt ein paar mal nur die Jungs angesprochen habe, doch noch ein paar Worte zu Männern Frauen und Macht. Natürlich haben Frauen die Möglichkeit zur Manipulation. Die hat jeder und die nutzt auch jeder. Ständig. Das ist soziale Interaktion. Ja es gibt auch übergriffige Frauen. Hab ich auch schon drei oder vier rausschmeißen müssen. Aber abgesehen davon, dass ich ein x-faches an Männern rausschmeissen musste, gibt es einen weiteren extrem wichtigen Unterschied: Die Frauen sind schlicht kein Bedrohungspotential für Männer. Es müsste ein sehr seltenes Ungleichgewicht sein, dass sich ein Mann so von einer Frau so bedroht fühlt wie umgekehrt. Die Alltäglichkeit, mit der eine Frau im Vorübergehen am Arm gegriffen wird oder am Weggehen gehindert wird, Sprüche auf unterstem Niveau wie „Frauen gehen doch immer zu zweit aufs Klo, soll ich Dich nicht begleiten Süße“ usw. Das ist das Problem. Und das füllt Millionen von Kotzeimern.
Und leider hat sich bei mir auch die Hoffnung zerstört, dass das doch nur die schwarzen Schafe seien und die meisten Männer doch einen respektvollen Umgang mit Frauen hätten. Ich glaube nicht mehr dran. Entspricht zumindest nicht meiner Wahrnehmung.
Noch was Jungs den Spruch „Ich war ja so besoffen, sonst hätt ich das nicht gemacht....“ den darf man nur ein einziges mal bringen. Denn wenn dich der Alk so verändert, dann sauf nicht!

Dieses ganze Schuld hin- und hergeschiebe ist im günstigsten Fall einfach nur peinlich. Männer, die nach einer Abfuhr, egal von welcher Frau, diese als lesbische Hardcore Emanze "beschimpfen" sind einfach peinlich.

Die Jungs hingegen, die in Würde einen Korb genommen haben, trotzdem freundlich geblieben sind und kein Getöse veranstaltet haben, die haben gerne einen aufs Haus bekommen. Und auch wenn ich mit diesen Männern in der Unterzahl bin, fühle ich mich in deren Gesellschaft umso wohler, denn wir wissen:

Ja, soziales Leben ist schwierig, und birgt eine Fülle von Missverständnissen, gerade weil jeder Mensch unterschiedlich ist.  Und eine ernsthafte Diskussion über Sexismus / Übergriffe und Grenzverletzung bedarf nicht der Differenzierung in „echte“ und „hochstilisierte“ Opfer. Es wird viel mehr eine Menge Empathie und Selbstbewusstsein benötigt. Anstatt dem Gegenüber die Schuld zuzuschieben, könnte man sich auch einfach mal gerade machen und sagen:
„Entschuldigung, das habe ich nicht gewollt“!